Freitag, 7. November 2008

Vampire Weekend

"Hey, ich hab ne Karte für Vampire Weekend geschenkt bekommen und mag nicht alleine gehen. Komms Du mit?" Klar. Ich hatte von der Band noch nie was gehört und das Konzert war am selben Abend wie diese Nachricht von Antje (Ihr merkt schon, meine sozialen Kontakte hier sind nur bedingt französisch.) im MeinVZ, aber das ist noch das geringste, was ich auf mich nehmen würde, um mal raus zu kommen und etwas zu erleben. Also fix nach Hause, zur Kenntnis nehmen, dass wir da jetzt Internet haben, kurz freuen, kurz ausprobieren, geht nicht, kurz frustriert sein, dann aber fix hübsch machen und los. In die Laiterie.

Laiterie heißt Molkerei und ist die Konzertlocation der Stadt. Vielleicht mit dem Rostocker Mau Club vergleichbar: Es gibt größere Säale, aber die coolen Bands spielen hier. Antje erzählt mir, dass die Laiterie zwei Säale hat, wir sind heute Abend im Größeren. Es gibt einen Vorraum mit Sitzecken, die Stimmung ist erfreut und angenehm, genauso wie das Publikum. Mir fällt auf, dass ich - auch für Straßburger Verhältnisse - viel Deutsch um mich rum höre.

Im Saal bauen Jungs in schwarz schon einfrig die Bühne auf. Der Zuschauerraum ist etwa zweigeteilt: vorne ist frei und Platz für die Menschen zum Stehen, hinten ist eine Art Tribüne mit Sitzplätzen aufgebaut, die Antje und mich kurz stutzen lässt. Sie ist aber gut besucht, viele Leute sitzen schon. Wir wollen lieber stehen und positionieren uns in der Mitte vor der Bühne. Der Saal füllt sich langsam.

Dann kommt die Band und es geht los und es ist schön. Ich muss an Steffen denken, der bei meinem letzten Konzert in Rostock gesagt hat, wie schön live gespielte Musik doch ist und finde, er hat Recht und freu mich und hab Spaß. Der Sänger ist sympathisch, der Pianist sieht hochkonzentriert aus, auch wenn er oft nur eine Hand braucht, den Bassisten kann ich kaum sehen und der Schlagzeuger bangt so exstatisch mit seinem eigenen Rhytmus mit, dass ich überlege, ob er wohl gerade in Trance ist. Die Stimmung im Saal ist gut, die Leute jubeln, tanzen und hüpfen. Letzteres aber nur auf und ab, gepogt oder geschubst wird nicht. Außerdem rufen Franzosen nicht nach "Zu-ga-be!" sondern gröhlen nur unartikuliert im Chor. Ich frage mich, warum sich so etwas nicht bis zu uns rumspricht und durchsetzt, ich hab das Gefühl, viele Menschen zu kennen, die an einem solchen Brauch gefallen finden könnten. (Jemand sollte über so ein Thema mal eine Abschlussarbeit schreiben. ;)

Nach nur einer Stunde ist das Konzert schon vorbei. Theoretisch ist das ärgerlich, für 16 Euro könnte man etwas länger unterhalten werden. Praktisch aber muss ich doll aufs Klo, freue mich, dass die Bahnen noch fahren* und ich nicht so spät ins Bett komme, schließlich ist morgen Arbeit.**

Uns ist aufgefallen, dass ein beträchtlicher Teil der Konzertbesucher schon das mittlere Alter erreicht haben - nicht nur auf den Sitzplätzen, sondern auch bei uns vorne. Ob das an der Band oder am Land liegt, haben wir an einem Abend nicht rausgefunden, wir werden das in einer empirischen Versuchsreihe in diversen, ausgewählten Konzerten in den kommenden Wochen verifizieren.

* Mit der "Fahrradstadt" Straßburg ist das nämlich so: Ich hab langsam den Verdacht, dass der Titel gar nicht von den achsotollen Radwegen kommt, sondern sich dadurch erklärt, dass man ohne Fahrrad nachts einfach nicht nach Hause kommt, nach halb eins fährt nix mehr.

** Das mit dem Früh ins Bett gehen lief dann doch nicht so gut. Das Internet ging nämlich auf einmal doch.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bin ein Verfechter der guten alten ZU-GA-BE! Für den oder die Künstler muss es doch ein erhebendes Gefühl sein, wenn sich die vielen, vielen Menschen extra solidarisieren und sogar unaufgefordert (für deutsche Verhältnisse nach wie vor ungewöhnlich) ihrem gemeinsamen Willen zu noch mehr Musik skandierend Ausdruck verleihen.

Wir (das Publikum) bündeln unsere verbalen Kräfte, um mit dem für uns sonst unerreichbaren Überwesen (Band) in Kontakt zu treten, ihm darüberhinaus unser Anliegen (nach mehr Musik) vorzutragen, es durch unsere einstimmige Verbundenheit zu beeindrucken und schließlich in seiner Entscheidungsfindung zu manipulieren.

Klappt auch meistens!

Pixelamazone hat gesagt…

Schoen gesagt, aber das Buendeln der verbalen Kraefte als Ausdrucksweise eines gemeinschaftlichen Anliegens erfolgt ja auch, wenn man ihm Chor etwas anderes als Zu-Ga-Be groehlt.

Um der Lebhaftigkeit der Diskussion willen bin ich mal so frei, hier dazuzutragen, was Meyerman S. im Facebook zu der Thematik geaeussert hat:

"habe wirklich mal bisschen was zu der zugabethematik gelesen: einen festen ruf "zugabe" gibt es so wohl wirklich nur in deutschland. in anderen ländern eher allgemeines gegröhle, die jungs im süden, spanien oder so feiern die großen bands viel mehr mit spezifischen fanchören ab, also entweder mit einem eigenen "bandjingel" oder eben einem berühmten lied, dass dann als zugabe gespiet wird."

Anonym hat gesagt…

Da will ich auch gar nicht wiedersprechen! Aus eigener Erfahrung (u.a.: http://www.knorkator.de/ ) weiß ich, dass personalisiertes Rufen noch besser wirkt. Aber wenn alle durchnander schreien, wirkts einfach nicht...

Aber wenn du sagst, es gibt die ZU-GA-BE nur in Deutschland, ist das ja sogar ein Grund mehr, diese Tradition fortleben zu lassen. Alternativen sind deswegen ja nicht verboten...

Pixelamazone hat gesagt…

"Mehr Rockelemente!" ;)

Anonym hat gesagt…

Rockelemente? Ne Band?

Pixelamazone hat gesagt…

Noe. (<-- das ist kein moechtegerncooles Englisch, sondern der Versuch, ein o mit Punkten drauf zu symbolisieren.)

Einfach etwas, was man rufen kann. Wenn man mehr Rockelemente in der Musik will. Oder zu allen anderen Gelegenheiten.

Anonym hat gesagt…

Sowas wär schon cool, aber wie willst du den anderen 3678 Konzertbesuchern klarmachen, was sie rufen sollen? Alleine gegen die anderen anschreien ist sehr harte arbeit! Die Band kann es aber tatsächlich mitkriegen, wenn du glück hast und weit genug vorne stehst. Manchmal wird sogar drauf reagiert. So ist ja der Ärztekonzertzwischenruf: Halts Maul und spiel! entstanden. Ein echter Klassiker!

Ich find die reingerufenen Titel auch sehr schön...bei "Los Banditos" ( http://www.losbanditos.de/ ) macht das besonders viel Spaß, weil die Lieder so coole Namen haben: Nackt im Taxi; Tanzfest in Rudolstadt oder natürlich Tetris in Nizhnij Nowgorod... Aber leider ist kaum eine Band bereit von ihrer Setlist abzuweichen.