Samstag, 18. Oktober 2008

Nachtleben in Straßburg

Wenn ich einfach alles aufschreibe, was mir so einfällt, wird es lang. Das war schon in der Schule so. Es folgt ein Bericht über meinen ersten Ausflug ins Straßburger Nachtleben, ohne Fotos, dafür schön viel Text.

Mein Mitbewohner Martin ist Tscheche und Erasmusstudent. Er ist nur wenige Wochen vor mir angekommen, aber scheinbar bereits fest in das Uni- und Nachtleben der Stadt integriert. Er hat mir von seinen ersten Partynächten erzählt, die wohl nicht ohne waren. „Nach einer Party mit einer Handvoll Mexikanern konnte ich mich an nichts erinnern, so heftig war das. Und ich bin Tscheche, ich kann eigentlich einiges ab.“


Am Donnerstag hat Martin mich mitgenommen zu einer Soirée, einer offen organisierten Erasmusparty. Donnerstag ist der eigentliche Partyabend in der Stadt, da die meisten französischen Studenten (davon gibt es hier 53 000, bei 272 800 Einwohnern. Ich glaube, Rostock hat um die 13 000 Studenten, oder?) über das Wochenende nach Hause zu ihren Eltern fahren, am Freitag also schon gar nicht mehr da sind. Dann gehört die Stadt den wenigen Einheimischen und den Ausländern.


Also Donnerstag. Wir haben uns mit Sara getroffen, von der wir beide nicht wissen, woher wir sie eigentlich kennen. Ich kam am Mittwochabend nach Hause, da saß sie in der Küche am Tisch und hat mit meinen beiden Jungs geredet. Ich dachte, Martin hätte sie mitgebracht, aber später erzählte er mir, sie sei einfach auf einmal da gewesen, stand in seiner Zimmertür und wollte ihn kennenlernen. Das war am Mittwoch, am Donnerstag waren wir dann zu dritt aus. Sie kommt aus Marokko, studiert aber schon seit 5 Jahren in Straßburg.


Ich hatte keine Ahnung, was eigentlich passiert und bin einfach Martin hinterher gelaufen. Der hat mich erstmal mit zur Mensa genommen. Um acht Uhr Abends. Die Mensen in Straßburg, oder zumindest diese eine haben auch abends geöffnet. Unter anderem vielleicht, weil sie mittags dem Ansturm der vielen Studenten einfach nicht gewachsen sind und es so eher möglich ist, die Leute wenigstens einmal am Tag mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Außerdem ist es auch eher üblich, abends warm zu essen, als mittags – da behilft man sich mit einem Sandwich, die es überall in kleinen Lädchen zu kaufen gibt.


Die Mensa war in einem schönen, alten Stadthaus, im Zentrum, sie sah von außen eigentlich eher aus, wie ein Edel-Fastfood Restaurant in einer europäischen oder amerikanischen Großstadt, der Boden ist aus dunklem Holz, die Decke aus steinernen Bögen. Für mich ist Mensaessen etwas schwierig, man braucht eine besondere Uni-Karte oder muss sich von jemandem, der eine solche besitzt, einladen lassen. Außer der Theke für das Essen gab es eine Bar, an man Softdrinks, Kaffee, aber auch Cocktails und Alkoholisches bekommen konnte. Und Bier, das in großen Plastekrügen ausgeschenkt und an die Tische geschleppt wurde. (Später habe ich erfahren, dass das nicht immer so ist. Donnerstag ist Biertag in der Mensa.) Stilles Wasser kommt kostenlos aus Automaten.


Es war so voll, dass wir nicht sofort einen Platz fanden, und in den Keller runtersteigen mussten, wo sich weitere Essenssäale befanden. Umso weiter wir uns von der oberen Halle entfernten (voll voll voll. Im Keller mussten wir einen ganzen Saal durchqueren und uns sind immer Leute mit vollen Tabletts und verzweifelten Gesichtern entgegen gekommen. Ich hab uns schon auf dem Boden essen sehen.), umso lauter wurde es. Wir fanden schließlich Platz in einem Raum, indem ein Haufen Studenten damit beschäftigt war, mit den leeren Bierkrügen rhythmisch auf die Tische zu ballern und begeistert melodische Sprechgesänge zu rezitieren. Ich habe nichts verstanden, aber meine Begleiter erzählten mir, dass es sich um Studentenlieder handelt: jede Stadt und jede Fakultät hat ihre eigenen und sie wechseln jedes Jahr, man ist bemüht um Neuerungen. Außerdem wurde mir versichert, dass sie ausreichend obszön seien.


Mittlerweile waren wir zu viert. In Frankreich küsst man sich zur Begrüßung links und rechts auf die Wange. Das ist ungewohnt und ich bin schon ein paar Mal dabei in der Bewegung erstarrt, weil ich instinktiv dachte, der andere wollte mir etwas erzählen und hätte sich deshalb so nahe zu mir gebeugt. Aber auch, wenn ich weiß, was ich zu tun habe, bin ich so damit beschäftigt, beim Küsschen geben normal auszusehen, dass ich nichts um mich rum mitkriege. Nun nutzen immer alle die Zeit, in der man sich mit den Küsschen begrüßt, um die Leute einander vorzustellen: Das ist Susi, das ist …“ Das Resultat: ich kriege nie mit, wie irgendjemand heißt.

Wir waren also zu viert, Nummer vier hatte eine Mütze auf, war männlich und sah sonst auch wie ein Marokkaner aus. Deshalb war ich ein bisschen überrascht, als er später meinte: „Rostock, klar.“ Und dann die Arme ausstreckte und „Hansaaa!“ rief. Er kommt aus Berlin.


Ich war froh, als wir mit dem Essen fertig waren und aus dem Klopfen (eher Donnern) und Singen (eher Grölen) entfliehen konnten. Im restlichen Verlauf des Abends pendelten wir zwischen den Kneipen und Clubs. Wir mussten nirgendwo Eintritt zahlen, warum, habe ich nicht ganz begriffen. Es ist wohl nicht immer so.


Zuerst gingen wir ins Mosquito, die Kneipe für Erasmusstudenten in der Stadt. Die Wände sind voll mit Fotos von glücklichen Menschen an langen Tischen, und Fahnen aus aller Herren Länder. Die wiederum sind voll von Unterschriften, Grüßen und den Beteuerungen, eine großartige Zeit gehabt zu haben und „Euch alle für immer zu lieben“.


Dann gingen wir zu der eigentlichen Party des Abends, der Soirée, die für die Erasmusstudenten organisiert worden war. Auf einem Schiff, das in einem der Kanäle der Innenstadt liegt. Ich hatte eigentlich erwartet, mit Rostock und der Ostsee auch diese ganze maritime Meer-und-Hafen Gewese zu verlassen, aber da habe ich mich geirrt. Seefahrt und Wasser scheinen mir hier manchmal größere Bedeutung zu haben, als zu Hause. Viele Straßen haben den pêcheur, den Fischer im Namen, Strasbourg hat den zweitgrößten Hafen Frankreichs, die Kräne und Frachter sind allgegenwärtig. Es gibt viel Fisch zu kaufen, es gibt eine Menge Muscheldeko und es gibt den Rhein. Und die Erasmusstudenten feiern auf einem Schiff. Ausgelassen, ziemlich betrunken, ziemlich jung. Ein bisschen haben sie gewirkt, wie Klassenfahrt ohne Lehrer, wie am ersten Abend in Freiheit. Lange haben wir es nicht ausgehalten.


Zurück im Mosquito trafen wir Dustin, einen Freund von Sara. Dustin kommt aus den Staaten und trägt ein T-Shirt, auf dem steht „George W Bush has Aides“, dazu einen grauen Schal und einen Mantel. Er ist blond und blauäugig, er sieht gut aus und hat einen trockenen Humor. Ich mochte ihn sofort, unter anderem, weil er englisch sprach und mir so viel einfach gefallen ist, zuzuhören und mitzureden. Und nicht nur ungefähr zu sagen, was ich sagen will, sondern ziemlich genau. Und dann mochte ich ihn noch mehr, als er uns von einem Club erzählte, in den er einfach nicht reinkommt. „Ich hab alles versucht, man. Im T-Shirt und Jeans, im Sakko, alleine, in einer Gruppe, mit einem Mädchen, einmal hatte ich sogar zwei Mädchen dabei! Ich meine, ich hab zwei Mädchen am Arm und die lassen mich nicht rein! Was ist los mit den Typen?“


Wir waren dann noch kurz in einem weiteren Club, Jimmy’s Bar, bevor es nach Hause ging. Die Innenstadt von Straßburg ist ziemlich klein. Ich habe das Gefühl, es gibt ein bisschen mehr von allem (Bars, Kneipen, Cafés, Boutiquen) als in Rostock, aber alles liegt in den kleinen, mittelalterlichen Gassen nahe beieinander und man kommt zu Fuß überall hin. Sogar zu unserer außen gelegenen Wohnung, innerhalb einer halben Stunde. Vielleicht ist das schönste an den Straßburger Nächten dieses Umherziehen zwischen den Clubs, die Momente auf der Straße, in denen man andere Gruppen trifft und scherzt und lacht und nicht weiß, was die Nacht als nächstes bringt. Vielleicht ist das ja auch überall so.

5 Kommentare:

Toralf hat gesagt…

...und jetzt verrätst du mir bitte, wie man so viel in so wenig Zeit erleben kann! ^^ Ich muss dich leider korrigieren, Strasbourg besitzt lediglich den zweitgrößten BINNEN-Hafen Frankreichs... Aber ich find's toll, dass es überall Hansa-Fans gibt! :P

Pixelamazone hat gesagt…

So ganz klar ist mir das auch nicht... Straßburg ist klein und im Zentrum ist alles nahe beisammen... da geht das Club Hopping leicht, man geht einfach ein Gässchen weiter... außerdem hat der Abend ja schon 20 Uhr angefangen...

Ha. Binnenhafen. Das muss mir in dem französischen Reiseführer entgangen sein... macht aber durchaus Sinn. Hab mich schon gewundert. :)

Anonym hat gesagt…

die Diskussion um den (Binnen-)Hafen trägt durchaus zu meiner Belustigung bei --- meine zwar mangelhaften aber doch nicht völlig desaströsen Geographiekenntnisse wollten mich nämlich schon im Stick lassen, als ich mal ganz genau überlegte, wo nun Strasbourg liegt -- und wo bitteschön da das Meer sein soll ;)
Macht ja aber nix.

Klingt alles nach sehr vielen Eindrücken. Und als bräuchte man durchaus auch etwas Mut, um sich trotz Verständnisschwierigkeiten, neuer Stadt, neuen Leuten und der Sache mit dem Hafen :D abends ins Gewühl zu stürzen und nicht bei jeder sich anbahnenden Bekanntschaft die Flucht zu ergreifen ;)
Toll Susi!!! Ich find's toll!!

Anonym hat gesagt…

ooh, ich meine natürlich "im Stich" ;)

Pixelamazone hat gesagt…

Hihi. Woebei ein Binnenhafen ja auch ein Hafen ist...